Die fünf Säulen des TP 

Transprogramming beruht auf fünf Säulen, die im folgenden genauer beschrieben werden. Es enthält Vorgehensweisen aus verschiedenen therapeutischen und sozialpädagogischen Schulen, mit denen wir die spezifischen Probleme der jeweiligen Klientel anzugehen versuchen.
Darüber hinaus sind in das Grundmodell eigene Erfahrungen und programmatische Vorgehensweisen, Ansätze aus der Ethnopsychologie sowie von soziologischen Modellen eingebunden. Die letztgenannten Aspekte werden an anderer Stelle ausführlicher ins Gespräch gebracht.
Obgleich die fünf Säulen verschieden sind und gegebenenfalls jede von ihnen als gesondertes Konzept gebraucht werden kann, sind sie für die praktische Anwendung aufeinander abgestimmt und bilden zusammen ein weitgehend abgerundetes Therapie- und Beratungskonzept.
 
 
1.1  System.....

Systemtheoretische Begriffe dürften unseren Lesern vor allem aus dem Bereich der Kommunikationstheorie (Watzlawik et al.) und der systemischen Famileintherapie bekannt sein.
Die systemische Theorie in der Psychologie faßt menschliches Handeln im wesentlichen als Handeln innerhalb sozialer Systeme auf. Die beeindruckenden Erfolge systemischer Therapie beruhen im Grunde auf der Wiederentdeckung des Menschen als "zoon politikon", d.h. als eines primär gemeinschaftlich orientierten Wesens.
Auch uns fremdartig erscheinende Strukturen und uns unbekannte Kulturgemeinschaften sind soziale Gebilde mit Vor- und Nachteilen für das darin lebende Individuum. Sie sind analog ethnischen Gruppierungen oder Stämmen anzusehen und bedürfen einer Begegnungsform, wie sie solchen Strukturen angemessen ist.
Diese Form sollte imstande sein, gemeinsame Anliegen zu artikulieren und die Distanz zwischen Menschen bzw. Kulturen zu verringern.  Das kann z.B. bei Verhandlungen mit Geschäftspartnern aus dem fernen Osten eine entscheidende Rolle spielen.

Eine vergleichsweise gut anwendbare Begegnungsform wurde für das TP in der "Routine zur Kontaktaufnahme" mit fremden Gemeinschaften und Kulturen entwickelt und erprobt.
 
 
1.2  Kognition

Kognitive Psychotherapie versucht, über die Gedanken und Weltbilder der Klienten deren Gefühlsbereiche und psychischen Probleme zu bearbeiten. Fest definierte Weltbilder haben für die Deutung und  Führung eines menschlichen Lebens festgelegte Konsequenzen:
Ein Weltbild setzt sich in der Hauptsache aus den für die Gruppe verbindlichen “letzten Wahrheiten”, moralischen Wertungen und - häufig - dem Glauben an übernatürliche Mächte zusammen. Sie enthält Verhaltenskodizes, gemäß denen man “richtig” lebt oder auf dem “rechten Weg” ist. Diese Elemente bewirken eine selektive Wahrnehmung bzw. Deutung von Ereignissen, aus der die Anhänger einer Lehre Schlüsse ziehen, die oft nicht rational begründet scheinen.
Wir kennen aus unserer nationalen Geschichte z.B. Ausdeutungen von Begriffen wie “Ehre” oder “Sterben für das Vaterland” und können uns den Einwirkungsgrad solcher Vorstellungen auf ein Individuum anhand dieser Denkmuster annähernd vorstellen. Auch irrationale oder unlogische Kognitionen vermögen den Glauben eines Individuums an eine ihm verkündete Heilslehre zu verstärken.
Selbst widersprüchliches Handeln gewinnt aus der Perspektive mancher Gruppierung einen paradoxen Sinn. Die Umwertung der Werte in einem Glaubenssystem kann bis zum Äußersten gehen: Ein Individuum, dessen Bezugsgruppe den Wert des Lebens verneint, wird u.U. dadurch veranlaßt, einen Selbstmord oder das Selbstopfer bei einem Terroranschlag dem Leben vorzuziehen.
Da das Transprogramming aus der recht diffizilen Arbeit mit Sekten, Okkultgruppen  und verschiedenartigsten anderen Weltbildern entstand, stellt sein wissenschaftliches Vorgehen ein äußerst vielseitiges heuristisches Instrumentarium zum Eindringen in (noch) unbekannte Gebiete des menschlichen Geistes bereit.
Mittels der Methodik und des Hintergrundwissens des TP könnten z.B. auch das Weltbild einer Geheimgesellschaft, die inneren Lehren einer Sekte oder die Entwicklung einer extremen politischen Minderheit in ihren Hauptzügen zutreffend herausgefunden werden.
 
 
1.3  Verhalten

Diese Ausrichtung moderner Psychologie bevorzugt verhaltenszentrierte Therapietechniken unter Betonung des Erlebensaspektes. Aus ihrer Perspektive hat der Eintritt in eine neues Weltdeutungssystem nachhaltige Auswirkungen auf die Erlebniswelt der betroffenen Menschen. Die Übergetretenen suchen in diesem Wechsel neue Sinngebungen des Lebens, sowie die  Erfahrung von Nähe in persönlichen Bindungen.
Panikzustände, Ängste und Depressionen, sowie Empfindungen von Sinnverlust vor und nach dem Verweilen im  “rettenden” System sind im hier erörterten Bereich häufig anzutreffen. Schuld- und Versagensgefühle, Furcht vor realer oder magisch/mystisch aufgefaßter Bedrohung bzw. Verfolgung  sowie phobische Ängste vor dem Zurückkommen in die Alltagswelt werden von uns durch verhaltens - und erlebensorientierte Methoden angegangen.
Die vom Individuum kultur - bzw. gruppenspezifisch erlernte Umgangsweise mit der Welt, mit Studium, Beruf, Schule, Familie, Mitmenschen, Sexualität etc. führt oft nach dem Systemwechsel zu belastenden Fehlanpassungen. Zur Bearbeitung dieser Störungen verwenden wir Techniken der Verhaltenstherapie und Kurzzeittherapie.
 
 
1.4 .. Intervention

Jeglicher Systemwechsel, ganz gleich ob beruflich, familiär oder religiös, stellt für die davon betroffenen Individuuen einen hohen Streßfaktor dar. Dies läßt sich sogar dann festtstellen, wenn es sich um eine Befreiung z.B. aus einem totalitären Regime oder die Entlastung bei Beginn des Ruhestandes handelt. Bei jeglichem Systemwechsel sollte der Mensch begleitet werden und eine Starthilfe für den neuen Lebensbereich erhalten.
Formen der Begleitung können vielfältig sein, z.B. Gruppenaustausch, Patenschaften, Probezeiten und Erleichterung des Neuanfangs durch Seminare.

Gruppenaustausch: Für die Mehrzahl der von einem Systemwechsel Betroffenen existiert neben der Chance, in der Einzelberatung über die belastende Situation sprechen zu können, ein zweiter, ebenso wichtiger  Weg zu Hilfe und Selbsthilfe. Dieser besteht im Gespräch mit anderen Menschen, die vom gleichen Problem betroffen sind.

Existenz- und Krisenberatung: Die auffallend häufigsten Probleme, welche mit dem Systemwechsel, dem Ausstieg aus einem Weltbild oder einer anderen Kultur entstehen, sind Schwierigkeiten ganz konkreter Art. Sie haben mit Beruf, Familie, Alltagswelt, Erziehung der Kinder und finanziellen Fragen zu tun. Der erste Therapieschritt ist daher Existenz- und Krisenberatung.

Sozialarbeiterische Tätigkeit:Vor diesem Hintergrund halten wir es für erforderlich, daß Sozialarbeiterische Tätigkeiten in diesen Prozeß integriert werden. Im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen wir, den betreffenden Klienten zu besserer Einbindung in die Realität zu verhelfen.

Selbstmanagement: Da Sektenaussteiger wie auch Systemwechsler, Migranten häufig aus äußeren Strukturen mit kontrollierender Bindung (politisch oder religiös totalitärer Art) und starker Fremdbestimmung herausfallen, benötigen sie in der Übergangszeit klare Zielbeschreibungen und Lebensmanagement dringender als therapeutische Interventionen.

Eine Zusammenarbeit mit entsprechenden Behörden und Fachleuten, gegebenenfalls auch eine “Sozialisationsbegleitung” durch Gruppentreffen, Kirchengemeinden o.a. ist zu diesem Zeitpunkt der transprogrammierenden Begleitung besonders wichtig.
 
 
1.5 ... Wissenschaft

Die in den letzten Jahrzehnten verstärkt gestellte Frage ”Wie können Weltbilder und uns bisher unzugängliche Gruppen pragmatisch analysiert werden?” kann das von uns vertretene Beratungsmodell zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beantworten. Immerhin haben Autoren aus verschiedenen Fachdisziplinen dazu konstruktive Beiträge erbracht, welche wir zum Aufbau der Theorie des Transprogramming heranziehen Für unsere Arbeit waren vor allem die Thesen von Quekelberghes, Peel, Fernandez, Mecheril, Wagner u.a. ausschlaggebend..
An diesem aktuellen Beispiel zeigt sich einmal mehr, daß moderne wissenschaftliche Erforschung komplexer Phänomene nicht mehr in isoliert arbeitenden Einzeldisziplinen erfolgen kann. In gleicher Weise, wie eine zeitgemäße psychologische Intervention den systemischen Gesichtspunkt der Vernetzung von Wechselwirkungsprozessen einbezieht, versucht die dem Transprogramming zugrunde liegende Theorie unterschiedliche Systemansätze zu verbinden.
Unser Modell nimmt hierbei Bezug auf Konzepte aus Psychologie und Ethnopsychologie, Religionswissenschaft, Soziologie und Kommunikationsforschung. Beiträge aus diesen Fachgebieten werden zum Gegenstand der Betrachtung gemacht und in unserer Praxisanwendung erprobt.

Anmerkung:
Als wissenschaftliche Methode ungeeignet erscheinen uns primär theologisch oder weltanschaulich doktrinär geprägte Theorien zu fremden Religionen, Kulturen sowie außerhalb ihres Erfahrungsbereiches stehenden menschlichen Gemeinschaften. Dies betrifft alle jene theologischen oder politischen Konzepte, welche den Anspruch auf alleinigen Besitz der Wahrheit erheben.
Wir halten den Ansatz jener Denkmodelle auch für die Anwendung auf alle innerhalb ihres Wirkungsbereiches stehende Menschengruppen für problematisch, da diese sich in soviel neue Bezugsgruppen aufteilen, daß in der heutigen Zeit von verschiedenen Kulturen unter dem Dach einer Hauptkultur auszugehen ist. Auch in ihren neueren, gemäßigteren Varianten ist z.B. der Theologie ihr “einvernehmendes Denken” so eingewurzelt, daß eine echte transversale Verständigung nicht erfolgen kann.
Gemessen an den von uns erarbeiteten Kategorien ist die theologische Betrachtungsweise einem Sektenmodell generell zu ähnlich, um als Beurteilungsraster tauglich zu sein. Dennoch haben kirchliche Sektenberater z.T. einen wertvollen Beitrag zur Thematik geleistet, indem sie Fakten und Daten sammelten, welche nach kritischer Durchsicht auch heute aktuell sind.
 
 
..... Falls Sie jetzt eine genauere Orientierung wünschen, öffnen Sie bitte die Site des "TP- Guide" oder sehen sich im Glossar um. 

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aktualisiert am 29.05.00

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