Johanna Wagner - ein Leben zwischen den Kulturen
Der ethnopsychologische Hintergrund moderner Therapiemodelle

IV. Schwarzafrikanische Psychodiagnostik

Aufgrund eigener Betroffenheit  - einem sehr konkreten Gefühl des Verfolgtseins und der Fremdkontrolliertheit (Wagner 1985: 39) - begibt sich Frau Wagner selbst in die Obhut eines Wagangas vom Stamm der Kamba und erlebt dort erstmals die therapeutische Arbeit eines Heilers (Wagner 1985: 42 ff.).

Dieser nimmt zunächst ganz ähnlich einem westlichen Psychiater oder Psychothera-peuten eine sorgsame Anamnese auf mit Fragen wie „Seit wann bist du in Afrika? Warum bist du nach Afrika gekommen? Konnten deine Eltern oder Geschwister Dinge sehen, die nicht jeder sieht? Beschreibe mir deine Arbeit.  Was hast du am Tag, bevor ES zum erstenmal kam, gemacht? Was hast du da erlebt?“ Tatsächlich sind die Dimensionen, die bei dieser Anamnese erfragt werden, identisch mit den in unserem kulturellen Kontext relevanten Kategorien: Erfragung der Lebensumstände; familiäre Dispositionen; mögliche auslösende Faktoren psychischer bzw. physischer Art etc.

Johanna Wagner hat bei dieser Begegnung erstmals die Gelegenheit, sich mit einem Heiler über seine Vorgehensweise zu unterhalten und trifft dabei keineswegs auf einen „primitiven Wilden“, sondern auf einen psychologisch sehr feinfühlenden Therapeuten, der sich der Grenzen und Möglichkeiten seines Tuns sehr bewußt ist und der  - ganz im Gegensatz zu den meisten Angehörigen seines Stammes - genau weiß, daß eine Erklärung von Leiden z.B. im Sinne von „Schwarzer Magie“ relativ selten die Ursache für Krankheit und Unglück richtig begreift.

Für den Waganga steht beim Umgang mit seinen „Klienten“ also die Unterscheidung zwischen intrapsychischen  bzw. verhaltensmäßigen Ursachen von Schwierigkeiten mit der Umwelt einerseits und schwarzmagischen Ursachen andererseits im Vorder-grund .
Ein weiterer Faktor, den der Kamba-Mganga in seiner Arbeit berücksichtigt, ist die Stammeszugehörigkeit des Klienten: Handelt es sich bei der Ursache für die Krankheit bzw. das Unglück tatsächlich um Schwarze Magie, so wird der Klient zu einem Waganga geschickt, der vom gleichen Stamm ist wie er selbst, das System von magischen und rituellen Vorstellungen des Stammes am besten kennt und folglich das Unheil am effizientesten bekämpfen kann.


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aktualisiert am 18.09.99

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