Johanna Wagner
- ein Leben zwischen den Kulturen
Der ethnopsychologische Hintergrund
moderner Therapiemodelle


VIII. Bewertung, Kritik

Insgesamt könnte man Frau Wagners Vorgehensweise als kognitiv-verhaltens- therapeutische Intervention mit einer Berücksichtigung des kulturell vermittelten Erlebensspektrums interpretieren, bei der das Relevanzsystem des Klienten nicht offen in Frage gestellt wird.
Vom Gesichtspunkt der Brauchbarkeit her ist das System, das Johanna Wagner entwickelt, relativ hoch einzuschätzen. Der Ansatz ist pragmatisch und trägt der subjektiven Struktur des einzelnen Klienten sowie den Anforderungen der kulturellen Einbettung Rechnung.
Die theoretische Grundlage jedoch ist eher mager und die Erklärungsmuster der Autorin sind zuweilen naiv, so z.B. die Vorstellung der thalamischen Hemmung neuronaler Informationsverarbeitung oder simplifizierte psycho-analytische Begriffsverwendungen, wie jene von den  zwei konkurrierenden „Über-Ichs“.

Dies könnte aber bezogen auf die Praxis sogar ein Pluspunkt sein, da die Herangehensweise von Frau Wagner nicht durch eine starke theoretische Basis überfrachtet ist und der Autorin somit ein großer Spielraum für ihre beachtliche therapeutische Intuition und Kreativität bleibt.
Für unser Therapiesystem haben wir von Frau Wagner den wichtigen Aspekt übernommen, daß ein Mensch, der sein Glaubenssystem wechselt, je nach Situation mit starken inneren Konflikten belastet werden kann. Ihre Methoden, diesen psychischen Konflikt zu beheben, sind für uns im Kontext europäischer Beratung nicht ohne weiteres nachvollziehbar.
Nach unseren Erfahrungen führt auch eine primär kognitiv orientierte Behandlung des Problems zu starken Besserungen der Problematik. Die Klienten entwickeln oft von selbst kleine Rituale oder Zeichen der Versöhnung der beiden widerstreitenden Glaubenssysteme oder sie lernen, die Gegensätzlichkeit der verschiedenen Ansprüche auszuhalten.


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aktualisiert am 18.09.99

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